BGH, Urteil vom 6. November 2013 – VIII ZR 416/12

Zur Schadensersatzpflicht des Mieters bei Rückgabe  der neutral dekoriert übernommenen Wohnung mit einem farbigen Anstrich

Der Bundesgerichtshof hat am 06.11.2013 sich in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob ein Mieter zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn er eine in neutralen Farben gestrichene Wohnung mit einem farbigen Anstrich versieht und so an den Vermieter zurückgibt.

Die Beklagten waren von Anfang 2007 bis Juli 2009 Mieter einer Doppelhaushälfte der Klägerin. Die Beklagten, die das Objekt frisch in weißer Farbe renoviert übernommen hatten, strichen einzelne Wände in kräftigen Farben (rot, gelb, blau) und gaben es in diesem Zustand zurück. Die Klägerin ließ im August 2009 die farbig gestalteten Wände zunächst mit Haftgrund und dann alle Wand- und Deckenflächen zweimal mit Wandfarbe überstreichen. Sie wendete hierfür einen Betrag von 3.648,82 € auf.

Die Klägerin hat nach teilweiser Verrechnung mit der von den Beklagten geleisteten Kaution Zahlung von 1.836,46 € nebst Zinsen begehrt. Die Beklagten haben widerklagend die Rückzahlung der zu Beginn des Mietverhältnisses geleisteten Kaution nebst Zinsen geltend gemacht.

Das Amtsgericht hat Klage und Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagten unter Abweisung im Übrigen zur Zahlung von 874,30 € nebst Zinsen verurteilt; die Berufung der Beklagten hat es zurückgewiesen.

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Mieter gemäß §§ 535, 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn er eine in neutraler Dekoration übernommene Wohnung bei Mietende in einem ausgefallenen farblichen Zustand zurückgibt, der von vielen Mietinteressenten nicht akzeptiert wird und eine Neuvermietung der Wohnung praktisch unmöglich macht. Der Schaden des Vermieters besteht darin, dass er die für breite Mieterkreise nicht akzeptable Art der Dekoration beseitigen muss. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen zur Schadenshöhe wurden von der Revision nicht beanstandet und begegnen keinen Bedenken.

Vorinstanzen
AG Friedberg – Urteil vom 10. Februar 2012 – 2 C 176/12
LG Gießen – Urteil vom 7. November 2012 – 1 S 71/12

Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs

 

Siehe auch die Entscheidung des Amtsgericht Schöneberg, Urteil vom 10.09.2013 – 3 C 95/13 –

Das AG Schöneberg hat darin entschieden,

1. Eine „ungewöhnliche“ Farbwahl während des Mietverhältnisses stellt keine Vertragsverletzung dar (vgl. BGH NJW 08, 2499 ff.).

2. Dem Vermieter steht es allerdings frei, für den Zeitpunkt der Rückgabe eine eingeschränkte Farbauswahl zu vereinbaren.

3. Ist der Mieter nach einer Klausel im Mietvertrag verpflichtet, die Wohnung in „einem neurenovierten Zustand“ herauszugeben, wäre ein Mieter verpflichtet, die Wohnung auch bei einem noch ordnungsgemäßen Zustand zu renovieren. Eine derartige Klausel ist wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam.

4. Hat der Mieter die Kosten der Schönheitsreparaturen zu tragen und kann der Vermieter nach der Klausel im Mietvertrag ohne Einhaltung der Voraussetzungen des § 281 BGB die Kosten für fällige Schönheitsreparaturen verlangen, ist eine derartige Abrede unbillig, da sie den Mietern das Selbsteintrittsrecht verwehrt.

Aus den Gründen:

„(…) Dem Beklagten steht eine aufrechenbare Gegenforderung nicht zu. Insbesondere sieht das Gericht in einer „ungewöhnlichen“ Farbwahl keine Vertragsverletzung. So hat der BGH ausdrücklich entschieden, dass der Vermieter dem Mieter während des Laufes des Mietvertrages keine bestimmte Farbnutzung auferlegen dürfe, vielmehr folge aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, dass ein Mieter die Farbe grundsätzlich frei bestimmen kann und, dass eine evtl. Einschränkung gegen § 307 BGB verstoße (vgl. BGH NJW 08, 2499 ff.). Nach Auffassung des Gerichts lässt sich auch nicht zwischen „normalen“ und „nicht normalen“ Farben unterscheiden. Insoweit muss beachtet werden, dass in Deutschland vermehrt Menschen mit unterschiedlichen Kulturen leben, deren Farbwahl ebenfalls unterschiedlich ist. Dem Vermieter steht es allerdings frei, für den Zeitpunkt der Rückgabe eine eingeschränkte Farbauswahl zu vereinbaren. Eine solche Vereinbarung liegt hier aber nicht vor. Danach liegt aber auch in der „ungewöhnlichen“ Farbwahl keine Vertragsverletzung.

Nach der Vertragsurkunde ist nämlich der Mieter verpflichtet, die Wohnung in „einem neurenovierten Zustand“ herauszugeben. Danach wäre aber ein Mieter verpflichtet, die Wohnung auch bei einem noch ordnungsgemäßen Zustand zu renovieren. Eine derartige Klausel ist wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam (vgl. BGH NJW 2007, 3776 ff.). Insoweit wird nämlich unangemessen von dem gesetzlichen Leitbild der §§ 535, 538 BGB abgewichen. Eine derartige Klausel dient dem einseitigen Ziel des Vermieters, dem nächsten Mieter auf Kosten des ausziehenden Mieters eine frisch renovierte Wohnung anzubieten (vgl. BGH a. a. O.). Es mag auch dahinstehen, ob diese unwirksame Abrede auch die Abrede in § 8 des Mietvertrages erfasst. § 8 des Mietvertrages ist ebenfalls wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam. Nach dem Wortlaut von § 8 des Mietvertrages hat nämlich der Mieter die Kosten der Schönheitsreparaturen zu tragen. Nach dem Wortlaut der Abrede kann daher der Vermieter ohne Einhaltung der Voraussetzungen des § 281 BGB die Kosten für fällige Schönheitsreparaturen verlangen. Eine derartige Abrede ist aber nach Auffassung des Gerichts unbillig, da sie den Mietern das Selbsteintrittsrecht verwehrt. Das Gericht verkennt nicht, dass man die hier fragliche Abrede auch dahingehend auslegen könnte, dass der Mieter die Schönheitsreparaturen durchführen darf. Gemäß § 305 c Abs. 2 BGB ist aber eine allgemeine Geschäftsbedingung im Zweifel zu Lasten des Vermieters auszulegen. Danach ist aber die hier fragliche Abrede unwirksam.“

Schreibe einen Kommentar