AG Bremen, Urteil vom 30.09.2008 – Az.: 10 C 0087/08

Verkündet am 25.11.2008

Amtsgericht Bremen

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

XXX, Bremen

 – Kläger –

Prozessbevollm.: RAe. Beier & Beier,Oslebshauser Heerstraße 20, 28239 Bremen

gegen

1) XXX, Bremen, ges. vertr. d. d. HUK-Coburg,

2) HUK-Coburg-Allgemeine Versicherung AG, vertr. d. d. Vorstand, XXX, Coburg,

– Beklagte –

Prozessbevollm.: RAe. XXX

hat das Amtsgericht Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 30.09.2008 durch Richter am Amtsgericht XXX für Recht erkannt:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 784,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.09.2007 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 61,29 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.11.2007 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger ein Drittel sowie die Beklagten als Gesamtschuldner zwei Drittel.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger macht gegenüber den Beklagten restlichen materiellen Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 30.03.2007 geltend. Die Alleinhaftung der Beklagten zu 1) als Fahrzeughalterin des unfallbeteiligten Pkws sowie der Beklagten zu 2) als deren Haftpflichtversicherer ist zwischen den Parteien außer Streit. Im Laufe des Rechtsstreits ist es ebenfalls unstreitig geworden, dass an dem unfallbeteiligten Pkw des Klägers ein wirtschaftlicher Totalschaden entstanden ist, da die Bruttoreparaturkosten 2.541,09 Euro betragen und sich der Brutto – Wiederbeschaffungswert auf 2.300,00 Euro beziffert. Schließlich ist es auch unstreitig, dass der Kläger die vollständige und fachgerechte Reparatur seines Fahrzeuges bislang nicht hat durchführen lassen und dass der Kläger seinen Schadensersatzanspruch fiktiv abrechnet.

Im Streit ist zwischen den Parteien lediglich die Frage, in welcher Höhe der Kläger bei der Berechnung seines Schadens sich den Restwert des unfallgeschädigten Fahrzeuges anrechnen lassen muss.

Der Kläger beruft sich insoweit auf das von ihm vorprozessual eingeholte Gutachten des Sachverständigen XXX, welcher in seinem Gutachten vom 06.03.2007 einen Restwert des Fahrzeuges von 500,00 Euro einschließlich Mehrwertsteuer ermittelt hat. Die Beklagten berufen sich demgegenüber auf das von ihnen eingeholte DEKRA-Gutachten vom 20.04.2007, in welchem der Restwert nach Auswertung von sieben Restwertangeboten überregionaler Aufkäufer von Unfallfahrzeugen in der Online-Börse AUTOonline mit 1.330,00 Euro beziffert wird. Unter Zugrundelegung einer sowohl in dem Wiederbeschaffungswert als auch dem Restwert enthaltenen Differenzbesteuerung von 2 % sowie nach Abzug der seitens der Beklagten vorprozessual geleisteten Zahlung von 970,00 Euro beziffert der Kläger seinen verbleibenden materiellen Schadensersatzanspruch auf 794,70 Euro. Des weiteren beansprucht der Kläger auch den Ersatz der ihm vorprozessual entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von restlich 120,67 Euro.

Der Kläger ist der Ansicht, er müsse sich bei der Schadensberechnung lediglich den von dem Sachverständigen XXX ermittelten Restwert, vermindert um die darin enthaltene Differenzbesteuerung, anrechnen lassen. Auf das über das Internet ermittelte Restwertangebot eines überregionalen Anbieters müsse er sich nicht verweisen lassen.

Nach Rücknahme seiner weitergehenden Klage beantragt der Kläger,

die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger 794,70 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.09.2007 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 120,67 Euro nebst Prozesszinsen zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Ansicht, der Kläger müsse sich im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebotes auf das höhere Restwertangebot gemäß dem DEKRA-Gutachten verweisen lassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist überwiegend begründet, im übrigen unbegründet.

Die Beklagten sind aus §§ 7, 17 StVG, 1, 3 PflVG, 823 Abs. 1, 249 BGB verpflichtet, aufgrund des Verkehrsunfalls vom 30.03.2007 an den Kläger weiteren materiellen Schadensersatz in Höhe von 784,90 Euro sowie restliche außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 61,29 Euro zu zahlen.

Das Gericht folgt hinsichtlich der Anrechnung des Restwertes der Rechtsauffassung des Klägers. Diese steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH, NJW 2007, 2918). Hiernach hat ein Geschädigter, der bei Vorliegen eines wirtschaftlichen Totalschadens seinen Schaden fiktiv abrechnet, einen Anspruch auf Ersatz des fiktiven Wiederbeschaffungsaufwandes, d. h. der Differenz zwischen dem Netto-Wiederbeschaffungswert und dem Restwert. Bei der Berechnung des fiktiven Wiederbeschaffungsaufwandes ist in der Regel nur der in einem Sachverständigengutachten für den regionalen Markt ermittelte Restwert in Abzug zu bringen. Dieses gilt sowohl für den Fall, dass die kalkulierten Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert des Kraftfahrzeuges um mehr als 130 % übersteigt als auch für den Fall, dass sich die Reparaturkosten in einem Bereich bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswertes des unfallgeschädigten Kraftfahrzeuges bewegen.

Der Geschädigte muss sich demgegenüber in aller Regel nicht auf ein höheres Restwertangebot verweisen lassen, das er wegen der tatsächlichen Weiternutzung des Fahrzeuges nicht realisieren kann. Da der Geschädigte nach dem gesetzlichen Leitbild des Schadensersatzes mit der Ersetzungsbefugnis Herr des Restitutionsgeschehens ist und grundsätzlich selbst bestimmen darf, wie er mit der beschädigten Sache verfährt, kann er von dem Haftpflichtversicherer des Schädigers auch nicht durch die Übermittlung eines höheren Restwertangebotes aus einer Internet-Restwertbörse zu einem sofortigen Verkauf des Fahrzeuges gezwungen werden (vgl. BGH, a.a.O.). So liegen die Dinge auch hier. Ungeachtet der strittigen Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Kläger sein Fahrzeug zwischenzeitlich hat reparieren lassen, hat der Kläger jedenfalls substantiiert unter Vorlage von Belegen dargelegt und mangels ausreichend substantiierten Bestreitens der Beklagten zur Überzeugung des Gerichts damit auch nachgewiesen, dass er sein Kraftfahrzeug auch bis heute noch nutzt. Dieser Nutzungswille würde aber konterkariert und damit die Ersetzungsbefugnis des Klägers ins Leere laufen, wäre er gezwungen, das von den Beklagten vorgelegte höhere Restwertangebot zu realisieren und zu diesem Zweck sein Fahrzeug zu verkaufen.

Umstände, die den Kläger ausnahmsweise hätten verpflichten können, das höhere Restwertangebot zu akzeptieren und auf eine weitere Nutzung seines Fahrzeuges zu verzichten, haben die Beklagten nicht substantiiert dargelegt, geschweige denn unter Beweis gestellt. Der Umstand eines höheren Restwertangebotes für sich genommen stellt einen Ausnahmetatbestand nicht dar. Der Kläger muss sich daher bei der Berechnung des fiktiven Wiederbeschaffungsaufwandes lediglich den auf dem ihm ohne weiteres zugänglichen regionalen Markt realisierbaren Restwert anrechnen lassen. Insoweit kann sich der Kläger in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Nachweis des Restwertes auf das von ihm eingeholte vorprozessuale Sachverständigengutachten des Sachverständigen XXX berufen. Durchgreifende Bedenken an der Richtigkeit des von diesem Sachverständigen ermittelten Restwertes haben die Beklagten nicht dargelegt. Im Gegenteil haben die Beklagten selbst vorgetragen, das Fahrzeug des Klägers sei mit Rücksicht auf dessen Alter und Laufleistung an einen seriösen Gebrauchtwagenhändler kaum noch zu veräußern.

Im Ergebnis ist daher von einem Restwert von 500,00 Euro auszugehen. Entgegen der Ansicht des Klägers und der vorläufig seitens des Gerichts geäußerten Auffassung, dass auch aus dem Restwert die Mehrwertsteuer herauszurechnen sei, ist der Restwert in vollem Umfang, d. h. ohne die von dem Kläger geltend gemachte Differenzbesteuerung, abzuziehen. Dieses ergibt sich daraus, dass der Kläger unbestritten nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und im Falle der Veräußerung des beschädigten Kraftfahrzeugs Umsatzsteuer nicht anfallen würde. Der erzielte Restwert würde dem Kläger daher in voller Höhe zufließen.

Bezüglich des Wiederbeschaffungswertes ist bei der Berechnung des fiktiven Wiederbeschaffungsaufwandes allerdings der Nettobetrag zugrunde zu legen (vgl. BGH, a. a. 0.). Insoweit hat der Kläger ausführlich und in überzeugender Weise dargelegt, dass ein Gebrauchtwagenhändler im Regelfall die von ihm an Privat verkauften Gebrauchtwagen gemäß § 25 a Umsatzsteuergesetz differenzbesteuert und dass dieses dazu führt, dass in dem Verkaufspreis eine Differenzbesteuerung in Höhe von 2 % enthalten ist.

Demgemäss hat der Kläger zutreffend den um die Differenzbesteuerung bereinigten Wiederbeschaffungswert auf 2.254,90 Euro netto berechnet (2.300,00 Euro : 1,02). Abzüglich des anzurechnenden Restwertes von 500,00 Euro sowie abzüglich der unstreitig vorprozessual seitens der Beklagten zu 2) geleisteten Zahlung von 970,00 Euro errechnet sich damit noch ein begründeter restlicher Schadensersatzanspruch des Klägers in Höhe von 784,90 Euro. In Höhe dieses Betrages ist somit die Klage begründet.

Des Weiteren hat der Kläger auch einen Anspruch auf restliche außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 61,29 Euro. Der Kläger hat unbestritten vorgetragen, sein Prozessbevollmächtigter habe mit der Beklagten zu 2) vorprozessual eine Gebührenvereinbarung dahingehend getroffen, dass eine Geschäftsgebühr in Höhe von 1,5 zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer zu zahlen sei. Der Gegenstandswert für die Berechnung der außergerichtlichen Geschäftsgebühr beträgt allerdings lediglich 2.146,86 Euro. Dieser Wert setzt sich zusammen aus dem mit diesem Urteil zugesprochenen weiteren Schadensersatzanspruch in Höhe von 784,90 Euro, der vorprozessual geleisteten Zahlung seitens der Beklagten zu 2) in Höhe von 970,00 Euro sowie aus der ebenfalls unstreitig seitens der Beklagten vorprozessual geleisteten Kostenpauschale von 20,00 Euro und erstatteten Sachverständigenkosten in Höhe von 371,96 Euro.

Bezogen auf den Gesamtstreitwert von 2.146,86 Euro beträgt die außergerichtliche 1,5-Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer 311,19 Euro. Hierauf hat die Beklagte zu 2) unstreitig vorprozessual 249,90 Euro gezahlt. Es verbleibt somit noch ein begründeter Anspruch in Höhe von 61,29 Euro.

Der Zinsanspruch ist aus §§ 286, 288, 291 BGB begründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO.

Unterschrift

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