Amtsgericht Philippsburg, Urteil vom 20.02.2015 – 1 C 270/14

Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Philippsburg durch den Richter am Amtsgericht N. auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2015 für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 955,60 festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen einer behaupteten Verbreitung des Filmwerkes „Niko – Rentier hebt ab“ auf Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch.

Mit Schreiben vom 23.08.2010 mahnte die Klägerin die Beklagte durch ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten im Auftrag der Klägerseite ab und setzte dieser eine Frist zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung. Wegen der Einzelheiten des Abmahnschreibens wird auf Anlage K 9 (AS. 71 ff.) Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet, sie sei Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem oben genannten Filmwerk. Die Klägerseite habe sich das ausschließliche Recht, diesen Film im deutschsprachigem Raum im Kino, auf DVD und im Internet zu vertreiben, durch Lizenzvertrag vom 11.05.2007 von der vormaligen Rechteinhaberin, der Ulysses GmbH, einräumen lassen. Vom Internetanschluss der Beklagten mit der IP-Adresse sei um 02:10 Uhr am 02.03.2010 das streitgegenständliche Filmwerk im Internet öffentlich zugänglich gemacht worden. Dies sei durch die Beklagte geschehen. Die Klägerin meint daher, es stehe ihr ein Schpdensersatz im Wege der Lizenzanalogie in Höhe von 400,00 zu. Wegen der Einzelheiten der, geltend gemachten Schadenshöhe wird auf die Seiten 11 bis 13 der Anspruchsbegründung (AS- 27 ff.) Bezug genommen. Ferner ist die Klägerin der Auffassung, dass sie aufgrund der Abmahnung Ersatz der hierfür entstandenen Kosten verlangen könne, wobei diese auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 7.500,00 € zu berechnen seien; unter Zugrundelegung einer 1,3-Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale sei daher ein Betrag von 555,60 angemessen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie einen angemessenen Schadensersatz, der jedoch nicht weniger als 400,00 betragen soll, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie

die Beklagte zu verurteilen, an sie 555,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, sie habe die behauptete Rechtsverletzung nicht begangen und ein etwaiges rechtswidriges Verhalten Dritter sei ihr nicht zuzurechnen, da sie keinerlei zumutbare Prüf- oder Sorgfaltspflichten verletzt habe. Schon zu dem angeblichen Tatzeitpunkt habe sie mit ihrem Ehemann in Philippsburg zusammen in einem Haushalt gelebt. Zu diesem Zeitpunkt habe sie einen Laptop besessen, bei dem es sich um den einzigen Computer im Haushalt gehandelt habe, der auch von ihr selbst genutzt worden sei. Die Beklagte sei computertechnisch nicht versiert und habe ihren Laptop für die Pflege einer von ihrem insoweit versierteren Ehemann nach einem sogenannten Baukastensystem eingerichteten Hunde-Homepage sowie für Errrailverkehr und Facebook genutzt. Neben dem Laptop habe sich ansonsten nur noch ein weiterer Computer im Hause der Eheleute befunden, welcher jedoch ausschließlich vom Ehemann der Beklagten genutzt worden sei, welcher den Internetanschluss deutlich intensiver genutzt habe und über größere Kenntnisse im Umgang damit verfügt habe. Auf diesen Computer habe die Beklagte keinen Zugriff gehabt. Die Beklagte trägt vor, ihren Ehemann zu der streitgegenständlichen Rechts verletzung befragt zu haben, worauhin dieser seine Verantwortlichkeit abgestritten habe. Die Beklagte habe auch in dem ihr zumutbaren Maße dafür Sorge getragen, dass ein Eingriff in das private WLAN-Netzwerk von außen durch unbekannte Dritte verhindert wurde. Der Zugang sei zur damaligen Zeit mit einem individuellen Passwort über einen sicher verschlüsselten Router (AVM Fritzbox 7390), den ihr Ehemann mit einer WPA 2-Verschlüsselung (mit einem individuellen Passwort, bestehend aus Buchstaben, Zahlen und Sonderzeichen) eingerichtet gehabt habe, erfolgt.

Eine tatsächliche Vermutung der Begehung der Rechtsgutverletzurrg durch die Beklagte sei damit widerlegt.

Im Übrigen sei der Klägerin kein relevanter Schaden entstanden. Die Abmahnung sei ungerechtfertigt und im Übrigen sei der der Berechnung der Abmahnkosten zugrunde gelegte Streitwert von 7.500,00 € überhöht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1.

Ein Schadensersatzanspruch in Höhe von (mindestens) 400,00 € gemäß § 97 Abs. 2 UrhG steht der Klägerin gegen die Beklagte nicht zu.

Es kann dabei dahinstehen, ob über eine der Beklagten zugewiesene IP-Adresse ohne Zustimmung der Klägerin das Filmwerk „Niko – Ein Rentier hebt ab“ zum Download bereitgehalten und dadurch Urheberrechte der Klägerin verletzt worden sind, weil jedenfalls nicht feststeht, dass die Beklagte Täterin der behaupteten Rechtsverletzung war.

Die Klägerin trägt nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruchstellerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruches erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich ihre Sache, darzulegen und nachzuweisen, dass die Beklagte für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täterin verantwortlich ist (vgl. BGH NJW 2013, 1441; 2014, 2360).

Zwar besteht zunächst eine durch den Anschlussinhaber zu widerlegende tatsächliche Vermutung seiner Alleinnutzung. Diese Vermutung ist jedoch bereits dann widerlegt, wenn weitere Personen freien Zugriff auf den Anschluss hatten. Den Anschlussinhaber trifft eine sekundäre Darlegungslast dahingehend, vorzutragen, ob und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (BGH NJW 2014, 2360). In diesem Umfang trifft den Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch eine Recherchepflicht, eine Veränderung der Beweislast ist mit dieser sekurin dären Darlegungslast jedoch nicht verbunden, vielmehr ergibt diese sich ausschließlich daraus,; dass der Vortrag von Tatsachen geboten ist, die für die Beklagtenseite leicht vortragbar während sie sich der Sphäre der beweisbelasteten Klägerseite entziehen. Die Beklagte hat der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast genügt, in dem sie vorgetragen hat, dass seinerzeit der Intemetzugang im Rahmen ihrer ehelichen Gemeinschaft auch ihrem Ehemann, Herrn … offengestanden habe und es im ehelichen Haushalt zwei Computer gegeben habe, von denen der Ehemann beide genutzt habe, wohingegen die Beklagte lediglich den Laptop benutzt habe. Die Klägerin hat auch substantiiert zum Internet- und Computernutzungsverhalten ihres Ehemannes vorgetragen, in dem sie dargelegt hat, dass dieser den Computer häufiger als sie selbst genutzt habe und sich deutlich besser damit auskenne. Sie hat ferner mitgeteilt, ihren Ehemann befragt zu haben, ob er die Urheberrechtsverletzung begangen habe, was dieser verneint habe. Im Hinblick auf den Rechtsgedanken des § 384 Nr. 1 ZPO erscheint es schon zweifelhaft, ob den Anschlussinhaber die Verpflichtung trifft, das positive Ergebnis einer Befragung, wonach ein naher Familienangehöriger die Täterschaft zugegeben hat, mitzuteilen (vgl. AG Düsseldorf, Urteil vom 25.11.2014, Az. 57 C 1312/14, abrufbar über Juris, dort Rd.Nr. 15). Jedenfalls aber kann vom Anschlussinhaber nicht mehr verlangt werden, als die Mitnutzer zu befragen und, wenn diese die Rechtsverletzung bestreiten, das Ergebnis der Befragung mitzuteilen. Dies hat die Beklagte getan. Mehr kann von ihr nicht verlangt werden. Es obliegt der Beklagten darüber hinaus nicht, diesen Vortrag auch zu beweisen; denn die sekundäre Darlegungslast ändert nicht die Beweislast. Unter diesen Umständen wäre es Sache der Klägerin gewesen, die für eine Täterschaft der Beklagten sprechenden Umstände darzulegen und zu beweisen. Die Klägerin hat jedoch nicht näher vorgetragen, sondern lediglich abstrakt die Täterschaft der Beklagten behauptet. Die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung nach § 445 ZPO waren deshalb nicht gegeben. Die Klägerin hat sich im Übrigen auch nicht auf den Ehemann der Beklagten zur Widerlegung deren Vortrages als Zeugen berufen.

2.

Auch ein Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Abmahnkosten gemäß § 97 a Abs. 1 Satz 2 UrhG in der bis zum 08.10.2013 geltenden Fassung steht der Klägerin gegen die Beklagte nicht zu.

Zwar setzt ein derartiger Anspruch nicht den – nicht geführten – Nachweis einer Täterschaft bezüglich einer Urheberrechtsvertetzung voraus, weil ein Unterlassungsanspruch und ein daraus resultierender Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten auch im Fall einer bloßen Störereigenschaft dessen Anspruch Genommenen in Betracht kommt (vgl. AG Karlsruhe, Urteil vom 01.08.2014, Az. 1 C 23/14, zitiert nach Juris, dort Rd.Nr. 19).

Eine solche Störerhaftung setzt jedoch die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfungs- und Überwachungspflichten voraus. Ob und inwieweit den als Störer in Anspruch Genommenen eine Verhinderung der Verletzungshandlung des Dritten zuzumuten ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (BGH NJW 2013, 1441). Demnach ist der Inhaber eines Intemetanschlusses grundsätzlich nicht verpflichtet, volljährige Familienangehörige über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen oder von sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu belehren und ihm die Nutzung des Internetanschlusses zur rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen oder zu sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu verbieten, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für eine solche Nutzung bestehen. Zivilrechtliche Aufsichts- und Überwachungspflichten und damit auch die Pflicht zur Belehrung hinsichtlich des Verbots von Urheberrechtsverletzungen bestehen gegenüber dem Ehepartner grundsätzlich nicht. Daher besteht kein Raum für eine Störerhaftung (vgl. BGH aaO, AG Karlsru¬he aaO, AG Düsseldorf aaO).

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

Die Berufung ist binnen einer Notfrist vor einem Monat bei dem Landgericht Karlsruhe Hans-Thoma-Straße 7 76133 Karlsruhe einzulegen.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.

Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.

Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.

Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.

Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem Amtsgericht Philippsburg Marktplatz 8, 76661 Philippsburg einzulegen.

Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.

Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht Eine anwattliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.

Nicklas
Richter am Amtsgericht

Verkündet am 20.02.2015

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